Die Wirkung von Cannabis wird immer weiter und intensiver erforscht, um dies in der Medizin einzusetzen. In Deutschland übernehmen seit 2017 in bestimmten Fällen die gesetzlichen Krankenkassen unter strengen Voraussetzungen die Kosten für Cannabis-Arzneimittel. Diese Voraussetzungen aber erst einmal zu erfüllen ist nicht so ganz einfach, denn ein Arzt oder eine Ärztin beurteilt vorab, ob die diese gegeben sind. Vor der ersten Verordnung muss bei der Krankenkasse eine Genehmigung eingeholt werden und dann erhält man in der Arztpraxis ein sogenanntes Betäubungsmittel-Rezept. Mit diesem Prozess wird sichergestellt, dass keiner so einfach an die Rezepte kommt und damit Unfug anstellt.
Folgende Voraussetzungen müssen also gelten:
- Eine schwere Erkrankung wie Multiple Sklerose (kurz MS) liegt vor.
- Eine anerkannte medizinische Behandlung oder Therapie steht nicht zur Verfügung, um dem Patienten bei der Genesung zu unterstützen oder ist nach ärztlicher Einschätzung einfach nicht möglich.
- Es gibt eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht, dass sich der Krankheitsverlauf oder starke Beschwerden spürbar bessern.
Wichtig ist aber zu wissen, das Cannabis zu den bereits verschriebenen Medikamenten verordnet wird und nicht stattdessen!
Was bedeutet Multiple Sklerose?
Die Erkrankung Multiple Sklerose, kurz MS, wird in die Rubrik der Autoimmunerkrankungen (chronischen Erkrankungen) eingeordnet. Das Wort „multiplex“ bedeutet „vielfach“ und „skleros“ bedeutet „hart“. Betroffen hierbei sind das Rückenmark und der Sehnerv. Durch charakteristische Entzündungen bestimmter Nervenstrukturen werden sogenannte „Schübe“ oder auch „Spastiken“ ausgelöst. Diese können Sehstörungen, Schmerzen, Lähmungen, Gefühlsstörungen oder Muskelsteife sein.
Sativex Spray zur Anwendung bei MS Patienten
Sativex oder auch Nabiximols ist ein Mundspray, welches seit 2011 in Deutschland zugelassen ist und somit tatsächlich das erste Cannabis-haltige Fertigarzneimittel auf dem deutschen Markt war. Der Anbieter von Sativex ist das Pharmaunternehmen Almirall Hermal GmbH. Entwickler von Sativex ist aber allerdings das britische Biotechnologieunternehmen GW Pharmaceuticals.
Das Arzneimittel enthält einen Extrakt aus den Blättern und Blüten der Hanfpflanze Cannabis sativa L und den beiden Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Hiermit werden Symptome wie Muskelsteife bei MS-Patienten gelindert. Es wird als zweite Wahl angewendet, wenn andere Arzneimittel bzw. Medikamente die Spastik nicht bessern können.
Das Spray dient zur Anwendung in der Mundhöhle und wird während den Mahlzeiten auf die Mundschleimhaut entweder auf der Wangeninnenseite oder unter der Zunge verabreicht. Ein Sprühstoß enthält 2,7 mg Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und 2,5 mg Cannabidiol (CBD). Durch die Anwendung in der Mundhöhle gelangt der Wirkstoff direkt über die Schleimhäute in den Blutkreislauf. Durch das Herunterschlucken gelangt ein Teil der Lösung auch in den Verdauungstrakt, was zu länger anhaltenden, aber verstärkten Effekten führt. Das Mundschleimhautspray Sativex wirkt innerhalb von Minuten. In der Regel bemerken MS Patienten innerhalb von vier Wochen eine Verbesserung der Symptome.
Das Arzneimittel hat antispastische und psychotrope Eigenschaften, weshalb es die Motorik bei MS-Patienten verbessert. Die Effekte beruhen auf die Bindung der aktiven Wirkstoffe an den Komponenten CB1- und CB2-Rezeptoren des Endocannabinoidsystems (ECS). Dieses Netzwerk von Rezeptoren ist über den gesamten Körper verteilt, welches auch das zentrale und das periphere Nervensystem umfasst. THC bindet direkt an den CB1-Rezeptor. Dieser Vorgang beeinflusst die Wahrnehmung des Körpers von Schmerzreizen.
Ein 4-Wochen-Testlauf mit Sativex
Nicht jeder MS-Patient kann Sativex einfach so verwenden. Nur ein Arzt mit Erfahrung kann dies entscheiden und die Behandlung mit dem Arzneimittel beginnen. Vor Beginn wird der Arzt den Patienten gründlich auf den Kopf stellen, um festzustellen, wie schwer die Muskelsteife ist und prüft, wie gut andere Behandlungen gewirkt haben. Genehmigt der Arzt die Anwendung von Sativex wird es 4 Wochen lang getestet. Dieser Zeitraum wird benötigt, um herauszufinden, ob das Medikament den gewünschten Effekt erzielt oder nicht. Nur wenn es nach diesen 4 Wochen eine deutliche Verbesserung bei den mit der Spastik in Verbindung stehenden Symptomen gibt, wird die Behandlung mit Sativex fortgeführt.
Inhaltsstoffe von Sativex
Die Wirkstoffe sich relativ überschaubar und setzen sich aus folgenden Inhalten zusammen:
- Cannabis sativa L. (THC Chemotyp)-Blätter-Blüten-Dickextrakt, eingestellt; Auszugsmittel: Kohlendioxid, flüssig 3,8-4,4 mg pro 0,1 ml Spray = 1 Sprühstöße = Delta9-Tetrahydrocannabinol-Gesamtgehalt (2,7 mg pro 0,1 ml Spray = 1 Sprühstöße)
- Cannabis sativa L. (CBD Chemotyp)-Blätter-Blüten-Dickextrakt, eingestellt; Auszugsmittel: 3,5-4,2 mg pro 0,1 ml Spray = 1 Sprühstöße = Cannabidiol (2,5 mg pro 0,1 ml Spray = 1 Sprühstöße)
- Sonstige Bestandteile sind: Ethanol, Propylenglycol und Pfefferminzöl.
Dosierung und Kosten von Sativex
Um Schwindel, Halluzinationen, Pulsbeschleunigung oder Pulserniedrigung mit niedrigem Blutdruck zu vermeiden, sollte auf die Dosierung von Sativex geachtet werden. Diese erfolgt in der Regel vom Arzt und sollte 12 Sprühstöße proTag nicht überschreiten.
Wie lange das Arzneimittel letzten Endes eingenommen werden soll, richtet sich nach Art der Beschwerde und/oder Dauer der Erkrankung und wird deshalb ebenfalls vom Arzt bestimmt.
Eine Sprühflasche (10ml) enthält zu 90 Sprühstöße (nach 3 vorpumpenden Sprühstößen). Zu kaufen gibt es das rezeptpflichtige Medikament mit einer, 2, 3, 4, 5, 6, 10 oder 12 Sprühflaschen in einer Schachtel. Die Kosten belaufen sich bei einer Schachtel mit 3 Sprühflaschen je 10ml auf ca. 350 €. Jenachdem bei welcher Krankenkasse man versichert ist, können die Kosten erstattet werden. Hierzu sollte man sich auf jeden Fall Informationen einholen.
Was sollte man vor der Anwendung des Arzneimittels beachten?
Wie bei jedem Arzneimittel gibt es natürlich Dinge, die vor der Einnahme beachtet werden sollten, um Risiken zu vermeiden. Laut Anbieter Almirall Hermal GmbH darf es nicht angewendet werden wenn,
• man allergisch gegen Cannabisextrakte oder einen der sonstigen Bestandteile dieses Arzneimittels ist.
• man selbst oder ein direkter Verwandter Erkrankungen wie Schizophrenie, Psychose oder andere bedeutsame psychiatrische Störungen aufweist. Dazu zählt nicht die Depression als Folge der Multiplen Sklerose.
• man stillt.
Sollte man sich dennoch nicht sicher sein, wendet man sich vor der Anwendung an einen Arzt oder Apotheker und bittet um Beratung.
Bei einer Schwangerschaft, einer Wunschschwangerschaft oder einer möglichen Schwangerschaft sollte vor der Einnahme ebenfalls ein Apotheker oder ein Arzt um Rat gebeten werden. Wichtig ist außerdem, dass bei der Einnahme von Sativex sowohl für Männer als auch für Frauen eine verlässliche Verhütungsmethode gilt. Dies sollte mind. 3 Monate auch nach Beendigung der Behandlung fortgesetzt werden.
Unerwünschte Wirkungen von Sativex
Wie wir alle wissen, können Nebenwirkungen nun mal bei jeder Einnahme von Medizin auftreten. Erst recht in Kombination mit anderen Arzneimitteln. Auch hier gilt: Vorher mit einem Arzt oder Apotheker sprechen! Ohne Einnahme von anderen Medikamenten sind die häufigsten Nebenwirkungen, die auch in den meisten Fällen auftreten, Schwindel und Müdigkeit sind. ABER es gibt noch weitere, unschöne wie zum Beispiel:
- Halluzinationen.
- Depressionen oder Verwirrung.
- Übererregtheit oder Realitätsverlust.
- Selbstmordgedanken.
- Geschmacksstörungen.
Die Nebenwirkungen sind aber sehr schwach und lassen in der Regel nach einigen Tagen nach. Sollte dies nicht der Fall sein, dann gilt Folgendes:
- Weniger Sprühstöße verwenden oder die Anwendung von Sativex abbrechen, bis man sich wieder normal fühlt.
- Wenn nach Abbruch mit der Anwendung des Arzneimittels wieder fortgesetzt wird, zur Anzahl der Sprühstöße zurückkehren, bei der keine Nebenwirkungen aufgetreten sind.
- Wenn Nebenwirkungen auftreten, sich direkt an einen Arzt oder Apotheker wenden. Auch, wenn diese vielleicht nicht auf der Packungsbeilage angegeben sind.
Überdosis möglich? Ja/Nein?
Wenn man den Verdacht einer Überdosierung hat, sollte man schleunigst den Arzt aufsuchen. Hierbei kann es zu Schwindel, Halluzinationen, Pulsbeschleunigung oder Pulserniedrigung mit niedrigem Blutdruck kommen.